Spezielle Fragen zur Okularwahl

Wie im Grundlagenartikel beschrieben, gibt es viele grundlegende Aspekte zur Okularwahl. Auf einige Kriterien möchte ich hier näher und detaillierter eingehen, weil sie in den Foren immer wieder thematisiert werden. Ich hoffe ich kann etwas Licht in die Angelegenheit bringen.

Warum und wann 2" Okulare?

Viele moderne Teleskope bieten inzwischen standardmäßig einen 2" Anschluß, sofern die Bauart dieses zuläßt. Dies ist nicht immer der Fall.
So bietet z.B. der 127iger Mak von Synta nur einen 1,25" Anschluß, obwohl rein von seiner Brennweite her, langbrennweitige 2" Okulare gut einsetzbar und zum Aufsuchen auch wünschenswert wären. Auf den ersten Blick ein Nachteil, der aber durch die Bauart wiederum Sinn ergibt.
2" - das bedeutet maximalen Lichtdurchlaß mit einem Durchmesser von 47-48 mm. Um dies zu gewährleisten, müßte der "Fangspiegel" und das innere Blendrohr deutlich größer dimensioniert werden. Die Folge wäre eine deutlich angestiegene Obstruktion, die mit einem entsprechenden Kontrastverlust einhergeht. Insofern ist die bessere Lösung für das Gesamtsystem, das ja von der Grundkonzeption auf Planetenbeobachtung ausgelegt ist, die 1,25" Variante, welche auch gebaut wird.

Zurück zu Geräten, mit denen 2" verwendet werden können. Der Lichtdurchlaß und damit letztlich auch das gewünschte erreichbare Gesichtsfeld geben zusammen mit der Okularbrennweite die richtige Dimension des Steckmaßes vor.
Nehmen wir als Beispiel einen 8" f/5 Newton. Nehmen wir nun die maximal mögliche Feldblende für 1,25" Okulare mit 27,5mm und für 2" Okulare mit 47,5 mm an, so ist maximal 1,58 Grad bzw. 2,72 Grad wahres Gesichtsfeld erreichbar. Mehr geht nicht, auch wenn die Näherungsformel dies ausgibt. Einzig richtig ist die Berechnung über den ARCTAN (2*Arctan (0,5*Okularfeldblende/Brennweite Teleskop) ggf. muß hier noch die Umrechnung in Bogenmaß erfolgen und der Term mit 180/pi multipliziert werden.).

Je nach Gesichtsfeld des Okulars erreicht man das maximale wahre Feld für 1,25 " Steckmaß z.B. mit einem 19mm Oku mit scheinbarem Gesichtsfeld von 83 Grad (wahres GF 1,58), einem 25mm Okular mit 63 Grad (GF1,58) oder einem 32mm Okular mit 49 Grad (GF 1,59).
Für 2" Steckmaß z.B. 33 mm Brennweite mit 82 Grad (GF 2,71), 40 mm mit 68 Grad (GF 2,72) oder einem 50 mm Okular mit 54 Grad (GF 2,7 ).

Je nach gewünschter Vergrößerung (Okularbrennweite), ergibt sich so die Notwendigkeit und der Sinn von 2" Okularen. Diese Herleitung stammt aus Zeiten in denen Nagler Okulare mit 82 Grad Sehwinkel das Maß der Dinge waren. Inzwischen ist viel passiert und mit den Ethos, den ES 100 Series und den unter zig Namen vertriebenen Skywatcher Myriad sind Okulare mit 100 Grad bzw bei kurzen Brennweiten sogar 110 Grad Sehwinkel die Sehfeldgiganten. Physikalisch ändert sich nichts, nur wird für diese Felder das 2" Steckmaß mit noch kleinereren Brennweiten erforderlich.

Bereits ab etwa 70 Grad Sehfeld ( = scheinbares Gesichtsfeld des Okulars) ist es für manche Menschen schon nicht mehr möglich, das gesamte Feld auf einen Blick zu überblicken. Man sieht ein Sternfeld ohne die Begrenzung durch das Okular, genau genommen durch die Feldblende, wahrzunehmen. So entsteht der Spacewalkeffekt, den viele Sternfreunde begeistert genießen. Andere haben dieses Erlebnis erst bei 100 und mehr Grad Sehwinkel. Ich habe inzwischen fast komplett auf 100/110 Grad umgestellt und mag es nicht mehr missen. Obige Berechnungen wurden mittels einem Excel Tool angestellt. Download hier.

Schnelle Systeme und die Okularfrage

Schnelle Teleskopsysteme erfreuen sich inzwischen großer Beliebtheit aus unterschiedlichen Gründen. Sicher ist das "Öffnungsfieber", verbunden mit den inzwischen für einige bezahlbaren Preisen, ein Treiber dafür. Ebenso ist die m.E. steigende Anzahl von Fotografen von Gewicht.

Zumeist sind es Newtonsysteme die entsprechend kurz bzw. schnell gebaut werden. Die Bezeichnung schnell stammt aus der Fotografie, orientiert an den erforderlichen Belichtungszeiten bei Fokalfotografie.
Im Newtonbereich, auf den ich mich hier konzentrieren will, werden wir i.d.R. Geräte zwischen f/3,8 und f/8 antreffen. Schnell für meine Begriffe sind Öffnungsverhältnisse über f/5. Allrounder ist der f/6 und alles deutlich darüber ein langsamer, sogenannter Planetennewton.


Die eintreffenden Lichtstrahlen des Beobachtungsobjektes können wir getrost als parallel eintreffend ansehen, auch wenn dies mathematisch nicht ganz korrekt ist. Die wesentliche Veränderung des eintreffenden Lichts erfolgt am Hauptspiegel, der aufgrund seiner Wölbung die eintreffenden Strahlen bündelt. Je Schneller das System ist, umso extremer ist die Parabel der Primäroptik. Die Folge sind Abbildungsfehler, also Abweichungen vom Idealbild, die sogenannte Abberation. Abbildungsfehler gibt es einige, wobei ich mich auf die beiden für den schnellen Newton wesentlichen beschränken möchte. Zum einen ist die Koma, die ab etwa f/6 ein Rolle spielt und zum zweiten die Bildfeldwölbung zu nennen.

Die Koma ist Auswirkung einer Asymetrie der Optik, die umso stärker wird je schneller das System ist. Innerhalb des Systems nimmt sie zum Rand hin zu. Da die Umlenkung des einfallenden Lichtes bei f/4 gravierender als bei f/6 ist, wirken sich Asymetrien bei schnellen Systemen stärker aus. Deshalb sind top f/4 Spiegel auch schwerer herzustellen und meist teuer. Ebenso ist hierin begründet, das eine perfekte Justage bei f/4 wesentlich ist, um ein möglichst fehlerloses Abbild zu erhalten. Was nicht heißen soll, das andere Öffnungsverhältnisse nicht justiert sein müssen. Die Abbildung leidet nur nicht so sehr bei geringer Dejustage, wie bei f/4. Hier genügt schon 1-2 mm Dejustage, damit ein perfekter Spiegel nur noch mäßige Leistung bringt.


Bildfeldwölbung ist gleichbedeutend mit einer Wölbung des Abbildes im Teleskop, so das Randbereiche und Bildzentrum unterschiedliche Schärfepunkte haben. Ursach hierfür ist die Wölbung des hauptspiegels und der daraus resultierende Strahlengang. Ich vergleiche es für mich gerne mit einem Blatt Papier dessen Text wir lesen wollen. Wir halten es so grade (eben) wie möglich. Wird das Papier gewölbt, in dem man die Mitte nach vorn bringt, wird der Rand nicht mehr gut lesbar sein. Ein weit hergeholter Vergleich, aber ich finde er macht anschaulich.

Diesen beiden Fehlern gilt es wenn möglich Herr zu werden und sie möglichst auszugleichen oder nicht zu verstärken.

Okulare die für derartige Systeme gerechnet - also konstruiert sind - führen keine weiteren Fehler ein. Und genau diese Okulare gilt es zu finden und zu kaufen. Da jedes Okular logischer Wiese nur für ein Öffnungsverhältnis hinsichtlich der Feldkorrektur ausgelegt sein kann, wird klar das nicht jedes Okular an jedem Gerät die maximale Leistung abrufen kann. Deshalb wird ein für f/10 gerechnetes Okular an f/4 über das gesamte Bildfeld gesehen nicht wirklich zufriedenstellen können. Ein f/5 gerechnetes Okular wird auch nicht an f/10 Bestleistung bringen können, wenngleich die Veränderung in diese Richtung nur sehr gering ist. Diese Okulare bringen keinen Fehler wie Okularastigmatismus ein, ebnen das Bildfeld - meist dank zusaätzlicher Linsen - so das sie an schnellen Gerät gute Leistungen zeigen. Die Newtonkoma korrigieren sie allerdings nicht. Aus den aktuellen Baureihen kann dies kein Okular. Lediglich vor einiger Zeit gab es komakorrigierte Okulare von Universitiy Optics.
Die Notwendigkeit die Koma zu korrigieren ist auch nicht so stark gegeben, wie man vielleicht glauben mag. Tatsächlich ist es aber eher so, das die Deformationen in der Sternabbildung wesentlich stärker sind, wenn Bildfeldwölbung nicht ausgeglichen wird oder gar Okularstigmatismus im Spiel sind. Grade der Astigmatismus, der für dreieckige Sterne sorgt, überdeckt jede visuell wahrnehmbare Koma, vorausgesetzt das Teleskop ist richtig justiert, was man ja grundsätzlich tun sollte.

In der Regel sind für schnelle Optiken ausgelegte Okulare auch für andere Öffnungsverhältnisse sehr gut einsetzbar. Nur ein sehr erfahrener Beobachter wird möglicher Weise erkennen für welches Öffnungsverhältnis es gerechnet ist, wobei hier ein direkter Vergleich zwischen verschiedenen Okularen sicher hilfreich ist.

All dies spielt im Wesentlichen eine Rolle, wenn wir von großen Gesichtsfeldern und damit Weitwinkelokularen sprechen, die bei der Deepsky-Beobachtung besonders mit Dobsons m.E. unerläßlich sind. Exakt auf der Achse bilden quasi alle Okulare scharf ab, sofern sie richtig konstruiert sind - auch normale Kellner öder Plössl. Der Unterschied liegt im nutzbaren Feld, sprich dem Gesichtsfeld das noch sauber abgebildet wird. Bei Okularen mit sehr geringen Gesichtsfeldern ist Okularastigmatismus und Bildfeldwölbung teils von geringer Bedeutung.

Nach meinen bisherigen Erfahrungen kommen mit schnellen Geräten folgende Okularypen in Frage, wenn man Weitwinkel, möglichst geringe Bildfehler und gute Schärfe über das ganze Bild haben möchte:

Televue Nagler und Panoptik, Pentax (Weitwinkelokulare), Vixen LVW, Antares Speerswaler ab 14mm abwärts incl. Zoom, Baader Hyperion bei den kleinen Brennweiten. Ebenso zählen die inzwischen am Markt etablierten Televue Ethos, Skywatcher Myriad und die ES Serien mit 100 und teilweise 82 Grad Feld dazu. Ggf. sind hier nicht alle Okulare genannt! Die neuen Vixen SSV, Baader Morpheus und die ES 90 Grad Serie sind mir derzeit noch nicht ausreichend gut bekannt, als dass ich sie bewerten möchte.
Wie es mit anderen Okulartypen aussieht beantwortet vielleicht unser Okularraster.

Da diese Okulare nicht gerade die preiswertesten sind, sollte man beim Erwerb eines schnellen Teleskopes besonders auf ausreichend Geld für Okulare achten. Eine vernünftige Staffelung an Okularen dieser Kategorie kostet nicht selten mehr als das Teleskop selbst.
Aber es lohnt sich, denn Okulare werden nicht schlecht und man sollte bedenken, daß das Ergebnis das man sieht, bestenfalls nur so gut wie die schlechteste Komponente in der jeweiligen Kombination sein kann. Tatsächlich ist es aber eher der Anblick eines idealen Bildes, verändert durch die Summe aller eingeführter Bildfehler, weil keine an der Bildgewinnung beteiligte Optik perfekt ist.

© 11/2004 und 5/2016 Antares